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Koloniale Kontexte

Über unsere Bestände und unsere Haltung

Als Museum, das seit über 180 Jahren existiert, beherbergt das Natur und Mensch eine umfassende Sammlung. In dieser befinden sich auch Objekte aus kolonialen Kontexten. Was bedeutet das genau und welche Aufgabe stellt sich deswegen für uns als Museum?

Kolonialzeitliche Bestände am Natur und Mensch

Da es sich beim Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg seit seinen Anfängen um ein Mehrspartenmuseum handelt, zeichnen sich auch die Sammlungsbestände aus kolonialen Kontexten dadurch aus, dass Sammler:innen oft nicht nur Objekte und Materialien aus einem einzigen Fachgebiet einbrachten, sondern aus verschiedenen Bereichen. Objekte in verschiedenen Sparten des Museums haben also oft in der sammelnden Person eine gemeinsame Quelle. Dies wird vor allem in Provenienzforschungsprojekten deutlich, da sich diese gemeinsamen Bezugsquellen verschiedener Sammlungsteile in der historischen Museumsdokumentation nachvollziehen lassen. Daher verfolgt das Museum bei der Provenienzforschung zu Objekten aus oft einen transdisziplinären Ansatz, der die Betrachtung von Beständen aus allen Sparten umfasst.

Ethnologische Objekte und naturkundliche Materialien aus kolonialen Kontexten werden im sogenannten „Naturalienkabinett“ in der Dauerausstellung des Museums ausgestellt. Der Raum soll szenografisch an die Anfänge des Museums erinnern, wobei es sich um das Großherzogliche Naturalien-Cabinett beziehungswiese um die Großherzoglichen Sammlungen handelt. Diese beinhalteten, vor allem durch Schenkungen, bereits schon früh außereuropäische Objekte.

Besonders umfassende Sammlungen aus kolonialen Kontexten gehen auf folgende Personen zurück:

 

Ivan Antonovich Kuprianov (1794-1853)

Der erste Eingang außereuropäischer Objekte geht auf die dynastischen Beziehungen des Oldenburger Hofes nach Russland zurück. Prinz Peter von Oldenburg (1812-1881) schenkte dem Museum 1841 einen Teil der Sammlung, die der Kapitän der russischen Flotte (und ehem. Gouverneur von Russisch-Amerika), Ivan Antonovich Kuprianov, gesammelt hatte. Damit war der Grundstock zur ethnographischen Sammlung gelegt. Die Sammlung umfasst 89 ethnologische und 48 naturkundliche Objekte von der Nordwestküste Amerikas. Darunter befinden sich Objekte des täglichen Gebrauchs, wie Werkzeuge, Holzgeschirr, Kleidung und Waffen, aber auch Ritualgegenstände wie Masken, einen Memorialstab und eine Chilkat-Tanzdecke.

 

Carl Ludwig Ritter von Blume (1796-1862)

Der gebürtige Braunschweiger Blume war zunächst als Apotheker und Gesundheitsoffizier in der niederländischen Armee in Niederländisch-Indien (heute Indonesien) sowie ab 1823 als Direktor des Botanischen Gartens auf Java (ebenfalls Indonesien) tätig. Von ihm hat das Museum im Jahr 1853 sowohl javanische Pflanzen, seine große vierbändige Publikation zu den javanischen Pflanzen als auch 14 menschliche Schädel bekommen, die ebenfalls von dem indonesischen Archipel stammen.

 

Friedrich Graf von Baudissin (1852-1921)

Das Landesmuseum Natur und Mensch hat in den Jahren 1887 und 1888 ca. 100 ethnologische Objekte durch von Baudissin erhalten. Wie groß der Bestand an naturkundlichen Objekten ist, die in der Sammlung auf von Baudissin zurückgehen, ist bislang noch nicht ermittelt. Baudissin „sammelte“ die Objekte während seiner Zeit bei der Marine als Kommandant auf des SMS Albatross in Ozeanien. Bei den Ethnographica handelt es sich neben Alltagsgegenständen und Waffen v.a. um Schmuck aus Muscheln, Schildpatt und Fasern. Die Objekte stammen v.a. von Papua-Neuguinea und den Karolinen-Inseln.

 

Wilhelm Langheld (1867-1917)

Bei der sogenannten „Langheld-Sammlung“ handelt sich mit über 1000 Objekten um die größte Sammlung von ethnologischen Objekten aus kolonialen Kontexten am Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg. Sie wurde zwischen 1889-1901 primär von Wilhelm Langheld (1867-1917) und seinen Brüdern Johannes und Friedrich angelegt, als diese als Militärangehörige in Deutsch-Ostafrika stationiert waren. Die Sammlung umfasst Alltags- und Gebrauchsgegenstände, wie Keramiken, Korbwaren, Waffen, Schmuck, Kleidung, Pfeifen, figürliche Darstellungen und Gefäße aus verschiedenen Materialien, die überwiegend auf dem Gebiet des heutigen Tansania und Uganda gesammelt wurden. Die Langheld-Brüder übergaben dem Museum auch naturkundliche Bestände in bisher unbekanntem Umfang.

 

Richard Deeken (1874-1914)

Durch den ehemaligen Kolonialbeamten und späteren Direktor der Aktiengesellschaft zum Kakao-Anbau auf Samoa, Richard Deeken, sind ca. 170 ethnologische Objekte in die Sammlung des Museums eingegangen. Die Anzahl der naturkundlichen Eingänge, die von Deeken stammen, ist noch unbekannt. Die Objekte stammen hauptsächlich von Samoa und den Karolinen. Sie umfassen Alltagsgegenstände, Schmuck und Waffen. Da die Oldenburger Sammlungseingänge sich auf die Jahre 1901 und 1902 konzentrieren, stammen sie aus einer Zeit, als Deeken mit Sammelaufträgen für verschiedene deutsche Museen in Ozeanien unterwegs war.

 

Viele weitere kleinere Konvolute wurden dem Museum zudem durch Personen aus der Region übergeben, die Verbindung mit der zivilen oder militärischen Seefahrt standen.

Das Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg setzt sich dabei für einen dialogischen, transparenten und ergebnisoffenen Austausch mit Mitgliedern der Herkunftsgesellschaften ein. Dazu gehören Bemühungen, möglichst alle Bestände aus kolonialen Kontexten digital verfügbar zu machen. Das Museum speist daher ethnologische und naturkundliche Objekte aus kolonialen Kontexten sowie Ergebnisse der Provenienzforschung in die Datenbank des PAESE-Projekts ein, um sie öffentlich zugänglich zu machen.

Seit November 2021 sind die Datensätze der PAESE-Datenbank zudem über das neue Onlineportal Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten abrufbar, da das Landesmuseum Natur und Mensch über den PAESE-Forschungsverbund Teil der Pilotphase der von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden vereinbarten 3 Wege-Strategie zur Erfassung und digitalen Veröffentlichung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland ist.

Folgende Projekte finden am Landesmuseum Natur und Mensch statt:

Ein ikegobo in Oldenburg, kurzfristiges Provenienzforschungsprojekt, gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste

Provenienzforschung zur anthropologischen Schädelsammlung im Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg (LMNM)

Provenienzforschung in außereuropäischen Sammlungen und der Ethnologie in Niedersachsen (PAESE)

 

Eine Auswahl weiterer Forschungsprojekte: 

Sonderausstellung „Schwarzweissheiten“

Bereits vom 28. September 2001 bis 27. Januar 2002 zeigte das Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg unter dem Titel "Schwarzweissheiten: Vom Umgang mit fremden Menschen" eine Sonderausstellung, welche sich mit Themen wie Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und auch Kolonialismus auseinandersetzte. 

Publikation dazu:

- Fansa, Mamoun (Hrsg.): Schwarzweissheiten: Vom Umgang mit fremden Menschen. Schriftenreihe des Landesmuseums für Natur und Mensch Oldenburg, Heft 19, Oldenburg: Isensee, 2001.

 

Sonderausstellung „Böser Wilder, friedlicher Wilder“

Auch 2015 wurde das Thema Kolonialismus und die kolonialen Sammlungsbestände des Museums in der Sonderausstellung "Böser Wilder, friedlicher Wilder: Wie Museen das Bild anderer Kulturen prägen" vom 13. Juni bis 13. September aufgegriffen. 

Publikation dazu:

- Becker, Peter-René und Ricci, Glenn Arthur: Böser Wilder, friedlicher Wilder: Wie Museen das Bild anderer Kulturen prägen. Schriftenreihe des Landesmuseums für Natur und Mensch Oldenburg, Heft 96, Oldenburg: Isensee, 2015.

 

Das Somali-Dorf in Oldenburg 1905 – eine vergessene Kolonialgeschichte?

Unter dem Titel „Eine Völkerschau in der Provinz“ präsentierte das Landesmuseum Natur und Mensch Oldenburg eine Sonderausstellung im Rahmen des Projektes „Jahrhundertschritt 05. Tradition – Innovation – Vision“ zum 100-jährigen Jubiläum der „Landes-Industrie- und Gewerbeausstellung verbunden mit einer Nordwestdeutschen Kunstausstellung und einer Ausstellung Kunstgewerblicher Altertümer“ vom 26. Juni bis 28. August 2005.

Publikationen dazu:

- Fansa, Mamoun (Hrsg.): Das Somali-Dorf in Oldenburg 1905: eine vergessene Kolonialgeschichte? Schriftenreihe des Landesmuseum für Natur und Mensch Oldenburg, Heft 35. Oldenburg: Isensee, 2005.

- Kloos, Evelyn: „Das Somali-Dorf in Oldenburg 1905 – eine vergessene Kolonialgeschichte?“ Eine Völkerschau in der Provinz, in: Fechner, Fabian und Schneider, Barbara (Hrsg.): Fernes Hagen. Kolonialismus und wir. FernUniversität in Hagen, 2021.

 

Forschungsprojekte zu naturkundlichen Beständen aus kolonialen Kontexten sowie Publikationen daraus

Dr. Maria Will, Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg
SS 2019– LV: Individuelle Forschungsprojekte im Herbarium – Ausleihe der Sammlungen zur Bearbeitung an die CvO Universität:
- Pflanzen aus Jerusalem
- Samen & Früchte Sammlung
- Xylothek Bellermann
- Carl Ludwig von Blume-Herbarium

WS 2019/20 – LV: Lernen an Dingen – Universitätssammlungen als Lehr- und Lerngegenstände

Ortstermin im Landesmuseum Natur und Mensch zum Thema Sammlungen & Provenienz (13.11.2019)

Publikation dazu:

- Breuer, E. M., Will, M., Karl Ludwig Ritter von Blume – Leben und Wirken eines deutsch-niederländischen Botanikers im 19. Jahrhundert. Oldenburger Jahrbuch 120, 2020, S.333-350

 

Weitere Informationen finden Sie auch auf der Webseite des Netzwerks für Provenienzforschung in Niedersachsen

Das Landesmuseum Natur und Mensch geht offen und transparent mit der Provenienzforschung zu seinen Beständen um. Bei Fragen zu den Beständen und der Haltung des Museums kontaktieren Sie daher gerne:

Dr. Ursula Warnke
Direktorin
0441 / 40570 301
u.warnke[at]landesmuseen-ol.de
Damm 38-46
26135 Oldenburg

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Die Provenienzforschung will herausfinden, wo Objekte herkommen und in welchem Kontext sie in den Besitz eines Museums gelangt sind. Forschungsprojekte setzen sich mit einzelnen Objekten oder ganzen Sammlungen auseinander.

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